Aus der SZBZ vom 9.12.2014
Ein schrecklicher Urlaub
Von unserer Mitarbeiterin Renate Lück
Elke N. und ihrer Familie ging es prima. Ende 2006 fuhren sie in ein Hotel in Österreich, um fröhlich Silvester zu feiern. Doch dort krachte ein Wandbett herunter und veränderte ihr Leben grundlegend.
Elke N. wurde von dem Riesenmöbel voll getroffen und erlitt eine Fraktur mit vollständiger Lähmung der Arme und Beine und ausgeprägter Spastik. Zusätzlich plagen sie Schluckstörungen. Eine massive Depression war die Folge. Elke N. wurde Pflegestufe III mit Härtefall attestiert. Geringste Bewegungen und tiefes Einatmen lösen schmerzhafte Muskelkrämpfe aus. Sie braucht eine Rund-um-die-Uhr-Pflege, weil sie auch nachts alle zwei Stunden neu gelagert werden muss und Hilfe beim Abhusten benötigt. Die früher lebenslustige Frau leidet unter einem chronischen Harnwegsinfekt sowie Blasen- und Mastdarmlähmung.
Vor zwei Jahren verließ ihr Ehemann die Familie, nachdem er selbst an einem schweren Burn-out erkrankt war. Den Unterhalt zahlte er nur unregelmäßig. Sein Krankengeld lief inzwischen auch aus. Mit dem Hotel in Österreich läuft noch ein Prozess wegen Schadenersatzforderungen. Er wird durch immer neue Gutachten verzögert. Das Ersparte der Familie ist aufgebraucht, so dass das Haus von einer Bank zwangsversteigert wird. Elke N. musste für sich Grundsicherung beantragen und für ihre Tochter Hartz IV. Die betreuende Sozialarbeiterin bat „Nachbarn in Not“, Elke N. in die Spendenliste aufzunehmen und ihr für die Feiertage einen ersten Betrag zukommen zu lassen.
Aus der SZBZ vom 29. 11 .2014
Ein mutiger und fleißger Junge
Von Renate Lück
Ajdin kam vor drei Jahren als 16-Jähriger ganz allein aus dem Iran, weil sein Leben in Gefahr war. Er konvertierte zum Christentum.
In der Schule hatte er einen katholischen Freund, der ihn sehr beeindruckte. Seine eigene Familie war nicht sonderlich religiös, deshalb schloss er sich dem Freund an und ließ sich taufen. Doch das gab Ärger, sein Vater wurde seinethalben sogar verhaftet. Da beschloss Ajdin, nach England zu fliehen, weil er auf dem Gymnasium schon die Sprache gelernt hatte. Ein Onkel gab ihm Geld für die Reise. Im Zug zwischen München und Stuttgart griff ihn allerdings die Polizei auf und brachte ihn nach Karlsruhe ins Aufnahmelager. So bat er in Deutschland um Asyl.
Damit waren seine Berufspläne erst einmal geplatzt. Im Iran wollte er Bauingenieur werden, nun lernte er in der Volkshochschule Deutsch, machte den Hauptschulabschluss und wohnte während dieser Zeit in einer Wohngruppe der Jugendhilfe. So lernte er auch neue Freunde kennen. Inzwischen hat er eine Ein-Zimmer-Wohnung und einen Ausbildungsplatz als Maurer. Ajdin ist dankbar, dass er in Deutschland in Sicherheit und Frieden leben kann, und froh, wie sich sein Leben entwickelt.
Nur das Geld reicht nicht so ganz. Er bekommt zwar Bafög und einen kleinen Mietzuschuss vom Jobcenter, aber nach Abzug der Miete bleibt nicht viel. Für die Berufschule muss er neun Bücher kaufen und für den Bau Arbeitskleidung. Auch die Fahrt vom Wohnort zur Arbeit muss er selbst bezahlen.
Der Mut und die Entschlossenheit des jungen Mannes beeindruckten sowohl die Sozialarbeiterin als auch Dr. Roswitha Seidel. die Vorsitzende von „Nachbarn in Not“ sehr. Sie bewilligte ihm den nötigen Zuschuss. „Er hat sich gefreut wie Bolle, dass er das Geld kriegt“, berichtete danach die Sozialarbeiterin.
Aus der SZBZ vom 24.9.2014
Sie hilft, obwohl sie selber krank ist
Von Renate Lück
Am Beruf liegt es nicht immer, wenn man hilfsbedürftig wird. Im Falle von Carmen B. und ihrem Mann ist es seine schleichende Krankheit, die sie in die Bredouille bringt.
Sie hatten sich über einen Briefwechsel kennengelernt und dann im Urlaub in Spanien getroffen. Carmen B. war begeistert von dem klugen und freundlichen Mann. Als sie schließlich heirateten, war der IT-Fachmann schon krank, aber nicht so schlimm. Da Carmen B. Krankenschwester ist, nahm sie die Aufgabe tapfer an, ihm zu helfen. Doch mit der Zeit wurde er immer steifer. Jetzt kann er nur noch allein essen, alles andere muss sie machen. Carmen B. gab ihre Arbeitsstelle auf, weil ihr Mann nun Tag und Nacht ihre Hilfe braucht. Beim Aufstehen und Schlafengehen benutzt er einen Rollstuhl, den ihm seine Frau ans Bett schiebt. Seit er ein richtiges Krankenbett hat, passt aber ihr normales nicht mehr ins Schlafzimmer.
„Ich benötige ein schmaleres Bett für mich, um meinen Mann auch nachts versorgen zu können“, schreibt sie in ihrem Bittbrief an „Nachbarn in Not“, der ihr unendlich schwer fiel. Aber von seiner Rente und ihrem Hartz IV kann sie sich keins leisten. Die Sachbearbeiterin im Jobcenter unterstützt das Anliegen, weil ihre Behörde die Kosten nicht übernehmen kann. Verwandte, die vielleicht helfen könnten, haben die beiden nicht. Carmen B. hat sich schon umgeschaut und etwas Passendes gefunden. „Es wäre uns eine große Hilfe, wenn „Nachbarn in Not“ uns unterstützen könnte“, schreibt die Krankenschwester, die selbst gesundheitlich angeschlagen ist.
Zuschuss ist eine große Entlastung
Von Renate Lück
Es trifft doch immer wieder Menschen, die schon genug zu tragen haben. Der Ehemann von Monika A. (Name geändert) nahm alles Geld, was zu Hause war, und verschwand. Er ließ seine Frau mit drei kleinen Kindern sitzen.
Monika A. ist in Elternzeit, weil die Jüngste erst ein halbes Jahr alt ist. So kann sich die gelernte Erzieherin auch besser um die anderen beiden Kinder kümmern. Die Sechsjährige hatte einen Hirntumor und musste deshalb zweimal operiert werden. Nun geht es ihr besser und sie kommt im Herbst in die Schule. Der Zweijährige freut sich über sein Geschwisterchen. für das er ja nun ein großer Bruder ist. Kummer machte Monika A. nur, dass ihr Mann seit einem Jahr arbeitslos war und sie mit Hartz IV auskommen mussten. Das schlug besonders bei ihrem Mann auf die Stimmung, so dass es immer öfter Streit gab. Bis sie eines Tages auf ihrem Handy das Foto seines Reisetickets fand, mit dem er ihr mitteilte, dass er sich scheiden lassen will.
Nun stand sie da mit dem Schock und ohne Geld. Eine Schwägerin lieh ihr so viel, dass sie erst einmal über die Runden kam. Doch dann ging auch noch die Waschmaschine kaputt, was mit Babywäsche und zwei lebhaften Rackern eine mittlere Katastrophe ist. Das Jobcenter half nicht, weil von Hartz-IV Geld für Ersatzbeschaffungen zurückgelegt werden muss. Da wusste die Sozialarbeiterin in der Schwangerenberatung nur noch eine Möglichkeit: sich an „Nachbarn in Not“ zu wenden. „Für die schnelle und unbürokratische Hilfe“ bedankte sie sich auch im Namen von Monika A., für die der Zuschuss eine große Entlastung bedeutete.
Start in ein zweites Leben
Von Renate Lück
Ariela M. wollte in die weite Welt hinaus und brach dafür sogar ihre Ausbildung ab. Doch der Traum vom Glück platzte schnell.
Als Au-pair arbeitete Ariela M. in den USA. Während dieser Zeit lernte sie einen netten Koch kennen und verliebte sich. Sie heirateten. „Am Anfang war alles wunderschön“, erzählt die junge Frau. Sie arbeiteten beide. Aber offensichtlich fühlte sich ihr Mann mit der neuen Situation - seiner deutschen Frau amerikanische Verhälnisse erklären zu müssen - überfordert. So jedenfalls deutet Ariela M., dass er zu trinken begann und im Suff gewalttätig wurde. Als sie ein Baby erwartete, freute er sich zuerst auch, doch dann schlug er wieder zu. Besonders wenn Ariela Freunde besuchte, die sie inzwischen kennengelernt hatte, wurde er krampfhaft eifersüchtig. „Dann bleibe ich lieber allein“, entschied sie und wich zunächst einmal zu Freunden in einem anderen Staat aus, um über ihre Zukunft nachzudenken. Als sie ihren Mann zwei Wochen später anrief um zu sagen, dass sie wieder zurückkomme, hatte er schon eine neue Freundin.
Also kehrte Ariela M. nach Deutschland zurück und brachte ihr Baby hier zur Welt. Sie reichte die Scheidung ein, doch die zieht sich, weil er unauffindbar ist. Auch Kinder- und Elterngeld bekommt Ariela M. deshalb nicht, weil der Vater die Geburtsurkunde mit unterschreiben muss. Er gibt aber immer eine falsche Adresse an. Die 24-Jährige versuchte, wieder auf die Beine zu kommen. Sie meldete sich obdachlos, denn eine Wohnung hatte sie nicht mehr. Bis zum achten Schwangerschaftsmonat schrieb sie Bewerbungen und nahm vom Jobcenter geforderte Vorstellungstermine wahr, zum Beispiel als LKW-Fahrerin, in einem Callcenter oder im Freibad - alles, nur um wieder ein Einkommen und ein Dach über dem Kopf zu haben. Zu ihren Eltern konnte sie nicht, da gab es Probleme.
Nun hat sie eine Wohnung und bekommt Sozialhilfe. Das Jobcenter verweigerte ihr allerdings eine Erstausstattung mit der Begründung, sie solle sich ihre Möbel aus den USA schicken lassen. Freunde machten sie auf eine Haushaltsauflösung aufmerksam, so dass sie nun mit dem Nötigsten versorgt ist. Aber eine Waschmaschine fehlte noch. Da sprang „Nachbarn in Not“ mit einem Zuschuss ein.
Aus der SZBZ vom 24.3.2014
Rekord-Spende aus der Session
Von Peter Bausch, Redaktionsmitglied
Rekordbesuch in der Stadthalle, Lob für die Bands und gute Stimmung. Mit der Weihnachtssession 2013 haben die Organisatoren eine neue Marke gesetzt. Thomas Schlüter, seit der Premiere 1979 aktiv, und IG-Kultur-Chef Ingo Liedtke haben jetzt insgesamt 5.600 € an die Thamar-Beratungsstelle und die Aktion „Nachbarn in Not“ übergeben.
Es ist Tradition, dass die Musiker bei der Weihnachtssession keine Gage bekommen und der Erlös an gemeinnützige Gruppen und Organisationen gespendet wird. Bei der Premiere 1979, damals noch im Foyer der Stadtbibliothek, sind 350 Mark zusammengekommen, die als Spende an Amnesty International flossen.
Über die Höhen der Spenden in den Folgejahren, als die Session über die Pauluskirche, die Turn- und Festhalle Maichingen, den Schubartsaal schließlich in der Klosterseehalle landete, gibt es keine Aufzeichnungen mehr. Sicher ist nach den Recherchen, dass 1990 im Jahr der Sindelfinger Landesgartenschau erstmals die einstmals von der SZBZ mit initiierte Aktion „Nachbarn in Not“ mit einem Betrag in Höhe von 600 Mark bedacht wurde. Schon 1994 flossen 5.000 Mark in die Hilfsorganisation, die seitdem mit ganz wenigen Ausnahmen Jahr für Jahr zu den Empfängern der Weihnachtssession-Spende gehört.
Bild: P. Bausch
1997 taucht in der Spendenliste zum ersten Mal Thamar auf, die Böblinger Beratungsstelle gegen sexuelle Gewalt unter der Leitung von Monika Becker, die für die Hilfe übers Internet seit April 2013 vom Kreistag eine zusätzliche 50%-Stelle genehmigt bekommen hatte: „Wir bauen die Prävention weiter aus“.
Seit dem Umzug der Weihnachtssession von der Klosterseehalle teilen sich Thamar und „Nachbarn in Not“ die Spendengelder des Konzerts. Mit der jetzt übereichten Rekordsumme von 2.800 € kommt die Hilfsorganisation NIN auf rund 30.000 Euro Spende seit der Einführung des Euro im Jahr 2002.
Aus der SZBZ vom 14.3.2014
Kinder sind unsere Zukunft
Von Renate Lück
Eine Riesenfreude hat ein Unternehmer Paula gemacht, die einen Taschenrechner für die Schule brauchte. Er schenkte ihr ein iPad aus der Überlegung heraus, dass Schulkinder zum Recherchieren auch ins Internet müssen.
Wolfgang Nast, mit sechs Geschwistern aufgewachsen, weiß, was es heißt, in bescheidenen Verhältnissen zu leben. Er erinnert sich daran, dass seine Mutter manchmal „keinen Hunger hatte“, damit die Kinder nicht noch mit ihr teilen mussten. Deshalb hatte ihn die Geschichte über Paula in der SZ/BZ so erschüttert. An „Nachbarn in Not“ schrieb er: „Hier ist ein junger Mensch, der seinen Vater verloren hat, der nicht mal ein vernünftiges Bett hat und trotzdem seinen Lebensmut nicht verlor.“ Dass sie ihre Ausbildung trotz aller widrigen Umstände fertigmachen will und sich deshalb so über den Computer freute, imponiert ihm. „Ich glaube, wir alle können glücklich sein, dass es Menschen wie Paula gibt, die in allergrößter Not noch Freude und Glück empfinden und erkennen, dass eine Ausbildung der Grundstein für die Zukunft ist.“
Er selbst machte nach der Hauptschule eine Lehre beim Daimler und setzte den Meister als Fernmeldehandwerker drauf. Dann lernte er noch Kommunikationselektriker dazu. „Das hat auch der Staat, also die Allgemeinheit, bezahlt. Nun geht es mir gut und ich will etwas zurückgeben“, sagt der Mann, der seinem Schulrektor Ernst Ewers später schrieb, was aus ihm geworden ist und ihm für seine Strenge dankte. Auch seinen Eltern ist er dankbar, dass sie ihren sieben Kindern so viel Liebe schenkten, dass diese die Familie als Kraftort erlebten.
Jetzt will Wolfgang Nast Paula helfen. Sie soll kommen, wenn sie Kopien braucht oder Hilfe im Internet oder Geld für einen Klassenausflug. „Einfach kommen - nicht als Bittstellerin - sie gehört einfach zu uns.“ Außerdem hat er die Idee, auch andere Firmen zu bewegen, Patenschaften für Jugendliche wie Paula zu übernehmen. „Kinder sind unsere Zukunft! Wir können uns nicht auf der einen Seite beschweren, dass sie faul sind, und ihnen auf der anderen lauter Steine in den Weg legen. Wir müssen sie an die Hand nehmen.“ Und in diesem Falle auch der arbeitslosen Oma Entlastung verschaffen. Dann werde Paula ihre Ausbildung fertig machen und einen Job bekommen und Geld verdienen.
Wolfgang Nast ist von seiner Idee so begeistert, dass er weiterspinnt: „Wenn das Projekt klappt, nenne ich es ‘Paula’. Paula steht für Hoffnung. Was habe ich mich früher über Herrn Ewers und meine strenge Lehrerin geärgert, aber sie haben uns Werte mitgegeben. Es war alles richtig, was sie gemacht haben.“ Auch sein Vater hätte nie akzeptiert, dass er eine Lehre abbricht. „Da muss man durch, auch wenn es mal schwierig wird.“ Man brauche keine fünf Häuser und drei Autos, sondern Menschen, die für einen da sind. „Wir können es nur anbieten.“
Folgenden Text konnten Sie am 22.2.2014 in der SZBZ lesen:
Sauerstoffgerät als ständiger Begleiter
Von Renate Lück
Es ist unglaublich, was manchmal für einen geregelten Haushalt fehlt: bei Michaela P. vermisste die Nachbarschaftshelferin Reinigungsmittel und Putzzeug.
Früher dürfte die examinierte Krankenpflegehelferin, die später noch einen Kurs als Hauswirtschaftskraft absolvierte, ihre Wohnung wohl instand gehalten haben. In den letzten Jahren kümmerte sich ihr Mann darum, denn sie ist chronisch herz- und lungenkrank. Bei geringer körperlicher Belastung laufen ihre Lippen blau an. Sie ist ständig auf ein Sauerstofferät angewiesen. Immer wieder hatte sie zwischen Kur- und Krankenhausaufenthalten gearbeitet, bis es nicht mehr ging. Sie konnte keine Treppen mehr steigen und einmal ist sie fast erstickt. Da wurde die Sauerstoffdosis erhöht.
Im vergangenen Jahr erlitt ihr Mann eine Gehirnblutung und kam in ein Pflegeheim. Da die Geldmittel nicht reichen, wurde eine gesetzliche Betreuung eingesetzt. Für Michaela P. besorgte die Sozialarbeiterin im Landratsamt eine hauswirtschaftliche Hilfe und der Sohn ging abends nach seiner Arbeit einkaufen. Finanziell unterstützen kann er die Eltern nicht, denn er ist selbst behindert.
Inzwischen ist Michaela P. auch im Pflegeheim. „Mir wurde zunächst Betreutes Wohnen angeboten. Aber das ging nicht, weil ich nicht allein aus dem Bett darf, also auch nicht kochen kann“, sagt die fröhliche Frau. „Es ist komisch, mit 60 Jahren ins Altersheim zu gehen. Aber ich hab’ die Entscheidung getroffen, denn was nutzt es, wenn ich allein in der Wohnung sitze und nichts machen kann.“ So ist es möglich, mit dem kleinen Sauerstoffgerät ihren Mann zu besuchen oder im Wohnraum mit den anderen Bewohnern zu schwatzen. Nach einer halben Stunde muss sie aber wieder in ihr Zimmer zu den großen Nachschubflaschen.

800 Euro spendete die Sindelfingerin Helga Schumacher (links) an Nachbarn in Not
(rechts NIN-Geschäftsführerin Biggi Haug)
Folgenden Text konnten Sie am 4.1.2014 in der SZBZ lesen:
Dauerndes Spießrutenlaufen
Von Renate Lück
Ein bedrückendes Beispiel für Burnout liefert Uwe F., der psychisch und körperlich so kaputt ist, dass er kaum noch laufen kann.
Uwe F. hatte in einem berühmten Restaurant Koch gelernt, bei der Bundeswehr eine Truppenküche geleitet, danach den Meister gemacht und Hotelbetriebswirtschaft studiert. Dann arbeitete er in einem Hotel, in dem er für Essen und Trinken zuständig war. Zudem eignete er sich Kenntnisse über den regionalen Wein an. Bis in dem Betrieb rationalisiert wurde. Da ging er und wurde Vertreter für Lebensmittel. Zehn Jahre arbeitete er für dieselbe Agentur, bis ihm plötzlich gekündigt wurde. Ein Schlag für ihn, der immer gute Zeugnisse vorwies. Nachdem er keine passende Stelle fand, belegte er einen Kurs in Altenpflege für Demenzkranke. Mit diesen Kenntnisse begleitete er seinen Vater bis zum Tod. Der Stress in der Pflege war ihm aber doch zu groß. Er stieg wieder in einer Lebensmittelfirma ein, doch dort war der Stress noch viel schlimmer. Zunächst profitierte er davon, dass er sich in diesem Metier auskennt, aber der Chef ließ ihn von sehr früh bis spät in der Nacht schaffen. Nach zwei Monaten brach Uwe F. zusammen. Anschließend wurde er hinausgemobbt.
Jetzt wohnt er in einer Ein-Zimmer-Wohnung, lebt von einer Erwerbsminderungsrente und hat Schmerzen im ganzen Körper. Er ist in psychiatrischer Behandlung und macht eine Schmerztherapie, um all seine Krankheiten zu ertragen. „Ich brauche die Augen zum Gleichgewichthalten. Beim Waschen falle ich ins Becken“, beschreibt er seinen Zustand. Mit den Händen kann er nichts fühlen. Er traut sich nicht auf eine Leiter und nicht in den Keller. Einen Behindertenausweis hat er jedoch nicht. „Ich muss dauernd zur Krankenkasse und irgendwelchen Behörden. Es ist ein Spießrutenlaufen.“ Nach fünf Anläufen bekam er endlich eine Haushaltshilfe, erzählt er.
Der nächste Schlag kam, als sein Vermieter die Wohnung kündigte. Jetzt sucht Uwe F. eine bezahlbare Bleibe, möglichst im Parterre, „denn das Gefühl, unerwünscht zu sein, macht mich fertig.“ Ein netter Mensch schenkte ihm ein altes Auto, damit er sich bewegen kann. Doch jetzt müssen die Bremsen repariert werden, sonst kommt er nicht durch den TÜV. Da klemmt es in seinem Geldbeutel wieder. Dabei ist das die einzige Möglichkeit für den geselligen Menschen, unter Leute zu kommen. Die Sozialarbeiterin fragte bei „Nachbarn in Not“ an, damit es für Uwe F. im neuen Jahr einen Lichtblick gibt.
Folgenden Text konnten Sie am 28.12.2013 in der SZBZ lesen:
Eine Hautsalbe ist Luxus
Von Renate Lück
Die Rente ist minimimst, weshalb Jeanette H. Grundsicherung erhalten soll. Da aber noch einige Unterlagen besorgt werden müssen, erhielt sie erst einmal gar kein Geld.
Gar kein Geld und dann Strom bezahlen! Und leben. Die Rente ist so klein, dass sie im Quartal ausbezahlt wird. Jeanette H. hatte nicht viel Gelegenheit, arbeiten zu gehen. Sie flüchtete mit ihrem Mann aus Saddam Husseins Irak, nachdem er im Gefängnis so gefoltert worden war, dass er sich kaum noch bewegen konnte. Sie sind christliche Kurden aus dem Norden. Ein Sohn, der schon in Deutschland lebte, besorgte einen Platz in einer Klinik, die sich um Folteropfer kümmert. Aber sein Vater schaffte es nicht. Er starb auf dem Weg in der Türkei. Die Mutter kam allein an und wohnt nun seit 17 Jahren in Deutschland. Sie lernte noch leidlich Deutsch, aber zu längerer steuerpflichtiger Arbeit reichte es nicht. Sie erhielt Leistungen vom Jobcenter. Mit 65 Jahren hört das auf und danach ist Grundsicherung nötig. Aber - siehe oben!
Der Sohn, der bei Daimler gearbeitet hatte, kann ihr nicht mehr helfen. Er ist mit seiner Familie in den Irak zurückgekehrt, nachdem die politischen Verhältnisse im Norden stabiler wurden. Aber er findet keine Arbeit und trägt sich mit dem Gedanken, wieder nach Deutschland zu kommen. Jeanette A. ist inzwischen ziemlich krank. Sie wirkt viel älter als sie ist, hat Bandscheiben-Schmerzen und kippte schon etliche Male um. Im Krankenhaus wurde eine Herzkrankheit festgestellt, was auch das Wasser in den Beinen erklärt. Die Kompressionsstrümpfe, für die sie einen Eigenanteil bezahlen muss, lindern den Druck, trocknen aber die Haut aus, weshalb sie sich ab und zu eine Salbe leistet.
Das ist aber Luxus. denn die Ausgaben für die Medikamente bringen die freundliche Frau an den Rand des Leistbaren. Damit sie sich Lebensmittel und die notwendigen Tabletten kaufen kann, half „Nachbarn in Not“ für den Moment. Die sie betreuende Sozialarbeiterin bat auch darum, sie auf die Seniorenliste zu setzen, damit sie besucht wird.
Folgenden Text konnten Sie am 24.12.2013 in der SZBZ lesen:
Entscheidung für das Baby
Von Renate Lück
Ein wenig Unterstützung hat „Nachbarn in Not“ einem Dreimädel-Haus gewährt, auch wenn die sehr unterschiedlich sind: Mutter, große Tochter und ganz kleine.
Gut ging es Edith S. eigentlich noch nie, aber tapfer ist sie. Die Ehe ging zu Bruch, geblieben ist ihr die Tochter. Einen Beruf hat sie nicht, doch sich so durchgewurschtelt. Arbeitslosenhilfe zusammen mit dem Kindergeld ergaben ein kleines Budget, aber sie überlebten. Das Wort überleben bekam jedoch eine ganz existentielle Bedeutung, als Edith S. an Brustkrebs erkrankte. Beide Brüste wurden amputiert und die Tochter musste viel im Haushalt helfen, weil die Mutter nichts Schweres heben konnte. All die Angst und die Notwendigkeit, einander beizustehen, schweißten sie zusammen.
Manchmal sehnte sich Edith S. schon nach Zuwendung und Hilfe. Und so rutschte sie in eine neue Beziehung, die allerdings eine etwas unkonventionelle Patchwork-Familie ergab. Sie verliebte sich in einen Rentner, der ihr Wärme gab. Zusammenziehen war jedoch keine Option, da er aus erster Ehe einen behinderten Sohn zu versorgen hat. Edith S. wurde schwanger, obwohl sie das nicht mehr für möglich gehalten und auch erst sehr spät festgestellt hat. Aber abtreiben kam für sie nicht in Frage. Das Problem war nun, dass sie ihr Baby wegen der Folgen des Brustkrebses nicht stillen konnte. Säuglingsnahrung kostet aber viel Geld und das auf längere Zeit. Und die Ausgaben für Windeln und was sonst alles nötig ist, auch. Ihre Große kann jetzt nicht viel helfen, denn sie sucht verzweifelt einen Ausbildungsplatz. Bisher arbeitete sie monatsweise für eine Leihfirma als Verkäuferin, doch übernommen wurde sie nie. Damit wenigstens zu den Feiertagen das Essen gesichert ist, sprang „Nachbarn in Not“ ein.
Folgenden Text konnten Sie am 21.12.2013 in der SZBZ lesen:
Immer wieder aufgerappelt
Von Renate Lück
Annegret R. hat mehrere Martyrien hinter sich, von denen eins schon reicht, um einen Menschen niederzuschmettern. Aber sie rappelt sich immer wieder auf und diesmal konnte „Nachbarn in Not“ sie glücklich machen.
Drei Kindern hatte Annegret R. auf die Weltgeschichte verholfen. Als das vierte unterwegs war, verhedderte es sich noch im Bauch und kam tot zur Welt. Das war für ihren Ehemann Grund genug, sich eine jüngere Geliebte zu nehmen und seine Familie aus der Wohnung zu ekeln. Annegret R. suchte zuerst bei ihrer Mutter Zuflucht und arbeitete dann als Haushalts- und Küchenhilfe, um sich und ihre Kinder durchzubringen. Als die Mädels aus dem Gröbsten heraus waren, erfüllte sie sich einen Lebenstraum und drückte noch einmal die Schulbank, um Köchin zu werden. Sie schaffte es und machte mit Bravour ihre Gesellenprüfung. Bevor sie aber ihre neue Arbeitsstelle antrat, wollte sie noch die Schmerzen in den Beinen los werden, die sie bei längerem Stehen immer mehr plagten.
„Im Krankenhaus spritzten sie mir Lyse, das frisst sich wie Rohrreiniger den Weg frei. Ich hätte schreien können“, erzählt sie. Noch schlimmer war die Ankündigung: „Der Fuß muss weg.“ Da wollte sie denn doch eine zweite Meinung hören und ging in ein anderes Krankenhaus. Aber auch dort verbrachte sie 15 Tage auf der Intensivstation, bevor der Fuß wirklich amputiert wurde. Doch damit nicht genug: Als nächstes war die Wade dran, dann die Kniescheibe und schließlich das ganze Knie. Vier Amputationen, 23 Vollnarkosen, von Juli bis September im Krankenhaus und dann drei Wochen Reha. Die Kinder wurschtelten sich inzwischen so durch. Aber selbst dann war noch nicht Ruhe. Die Wunde heilte außen, aber innen nicht. Noch eine Operation und nochmal Reha.
„Seither bin ich zu Hause und darf Mensch sein“, sagt sie erleichtert. Bloß, der Mensch wohnt im zweiten Stock und kann ohne Hilfe die Wohnung nicht verlassen. Die Nachbarschaftshelferin kommt vier Stunden in der Woche, zur Zeit nur zwei, weil so viel los ist. Das einzig Erfreuliche: Annegret R. kann vom Rollstuhl aus wieder selber kochen. So richtig gut kochen.
Und nun wird es noch besser: Sie bekommt eine Wohnung, die gerade noch behindertengerecht umgebaut wird. Dann kann sie auch allein wieder auf die Straße. „Endlich ohne jemanden zu fragen eine Brezel holen!“, jubelt sie. Da sie sich aber nicht leisten konnte, mit einem Auto des Vereins für Körperbehinderte zu dem neuen Haus zu fahren, spendierte „Nachbarn in Not“ Geld fürs Taxi, damit sie ihre neue Wohnung auch anschauen und ausmessen kann. „Ich bin in Tränen ausgebrochen, so hab ich mich gefreut!“ Nun plant sie die Ausgestaltung der neuen Wände und hat im Hinterkopf schon eine neue Idee: „Ich möchte wieder etwas mit den Händen tun. Vielleicht vier Stunden vormittags arbeiten gehen, unter Menschen sein. Die Anerkennung fehlt mir sehr.“ Aber zunächst sind die Feiertage gerettet, auch wenn’s Arbeit macht.
Folgenden Text konnten Sie am 19.12.2013 in der SZBZ lesen:
Aus reich wird arm und krank
Von Renate Lück
Annegret R. hat mehrere Martyrien hinter sich, von denen eins schon reicht, um einen Menschen niederzuschmettern. Aber sie rappelt sich immer wieder auf und diesmal konnte „Nachbarn in Not“ sie glücklich machen.
Drei Kindern hatte Annegret R. auf die Weltgeschichte verholfen. Als das vierte unterwegs war, verhedderte es sich noch im Bauch und kam tot zur Welt. Das war für ihren Ehemann Grund genug, sich eine jüngere Geliebte zu nehmen und seine Familie aus der Wohnung zu ekeln. Annegret R. suchte zuerst bei ihrer Mutter Zuflucht und arbeitete dann als Haushalts- und Küchenhilfe, um sich und ihre Kinder durchzubringen. Als die Mädels aus dem Gröbsten heraus waren, erfüllte sie sich einen Lebenstraum und drückte noch einmal die Schulbank, um Köchin zu werden. Sie schaffte es und machte mit Bravour ihre Gesellenprüfung. Bevor sie aber ihre neue Arbeitsstelle antrat, wollte sie noch die Schmerzen in den Beinen los werden, die sie bei längerem Stehen immer mehr plagten.
„Im Krankenhaus spritzten sie mir Lyse, das frisst sich wie Rohrreiniger den Weg frei. Ich hätte schreien können“, erzählt sie. Noch schlimmer war die Ankündigung: „Der Fuß muss weg.“ Da wollte sie denn doch eine zweite Meinung hören und ging in ein anderes Krankenhaus. Aber auch dort verbrachte sie 15 Tage auf der Intensivstation, bevor der Fuß wirklich amputiert wurde. Doch damit nicht genug: Als nächstes war die Wade dran, dann die Kniescheibe und schließlich das ganze Knie. Vier Amputationen, 23 Vollnarkosen, von Juli bis September im Krankenhaus und dann drei Wochen Reha. Die Kinder wurschtelten sich inzwischen so durch. Aber selbst dann war noch nicht Ruhe. Die Wunde heilte außen, aber innen nicht. Noch eine Operation und nochmal Reha.
„Seither bin ich zu Hause und darf Mensch sein“, sagt sie erleichtert. Bloß, der Mensch wohnt im zweiten Stock und kann ohne Hilfe die Wohnung nicht verlassen. Die Nachbarschaftshelferin kommt vier Stunden in der Woche, zur Zeit nur zwei, weil so viel los ist. Das einzig Erfreuliche: Annegret R. kann vom Rollstuhl aus wieder selber kochen. So richtig gut kochen.
Und nun wird es noch besser: Sie bekommt eine Wohnung, die gerade noch behindertengerecht umgebaut wird. Dann kann sie auch allein wieder auf die Straße. „Endlich ohne jemanden zu fragen eine Brezel holen!“, jubelt sie. Da sie sich aber nicht leisten konnte, mit einem Auto des Vereins für Körperbehinderte zu dem neuen Haus zu fahren, spendierte „Nachbarn in Not“ Geld fürs Taxi, damit sie ihre neue Wohnung auch anschauen und ausmessen kann. „Ich bin in Tränen ausgebrochen, so hab ich mich gefreut!“ Nun plant sie die Ausgestaltung der neuen Wände und hat im Hinterkopf schon eine neue Idee: „Ich möchte wieder etwas mit den Händen tun. Vielleicht vier Stunden vormittags arbeiten gehen, unter Menschen sein. Die Anerkennung fehlt mir sehr.“ Aber zunächst sind die Feiertage gerettet, auch wenn’s Arbeit macht.
Folgenden Text konnten Sie am 14.12.2013 in der SZBZ lesen:
Mit Auto ist die Pflege gesichert
Von Renate Lück
Sie sind zusammen alt geworden, aber mit den Kräften schwanden auch die Nerven. Mario G. sputet von der Arbeit zu seiner kranken Frau nach Hause - da sollte nichts dazwischenkommen.
Karin G. erlitt vor drei Jahren einen Schlaganfall und muss seitdem gepflegt werden. Sie erhält Leistungen nach Pflegestufe III, das heißt, das Geld erhält die Sozialstation, die sie täglich versorgt. Bis 15 Uhr schaut jemand nach ihr. Dann kommt ihr Mann und übernimmt. Mario K. steht jeden Morgen sehr zeitig auf und fährt fünfunddreißig Kilometer zur Arbeit. Er ist bei einer Zeitarbeitsfirma angestellt. Als sein Auto den Geist aufgab und er auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen war, kam er regelmäßig zu spät zur Arbeit. Doch das Geld für die Reparatur hatte er nicht. Als sein Chef mit der Kündigung drohte, obwohl er sonst mit Mario G. sehr zufrieden war, ergriff den die Panik.
Die Sozialarbeiterin, die die Familie schon seit längerem betreut, fand eine Möglichkeit, das Auto kostengünstig instand setzen zu lassen. Der Bekannte streckte sogar den Betrag vor. der Mario G. trotzdem um den Schlaf bringen würde. Deshalb wurde „Nachbarn in Not“ gebeten, hier zu helfen. Nun kann der korrekte Mann, der fast am Ende seiner Kräfte ist und den jede zusätzliche Herausforderung an den Rand eines Nervenzusammenbruchs bringt, wieder pünktlich zur Arbeit und rechtzeitig nach Hause fahren, um seine Frau zu pflegen. Vielleicht bringen die Weihnachtsfeiertage ein bisschen Erholung nach all den zusätzlichen Aufregungen.
Folgenden Text konnten Sie am 11.12.2013 in der SZBZ lesen:
Ein Lebensweg voller Dramen
Von Renate Lück
Manche Lebenswege verlaufen so krumm, dass sie aus einem Krimi stammen könnten. Aber seit Evelyn V. und Hans M. ein Kind haben, wollen sie ihm alle Liebe und Geborgenheit geben, die sie selbst nie erfahren haben. Doch der Neuanfang gestaltet sich schwierig.
Evelyn V. kennt ihren Vater nicht. Sie wuchs bis zum siebenten Lebensjahr bei ihrer alkoholkranken Mutter auf, die sie abends in verrauchte Kneipen mitschleppte. Die Tochter am Kindergarten abzuholen, vergaß sie dagegen öfter mal, sorgte auch selten für ein Mittagessen. Dafür musste die Kleine die schlechte Laune der Mutter ertragen. Eines Tages brach die Mutter zusammen und wurde in eine Klinik eingewiesen. Evenlyn V. wurde zunächst von ihren Großeltern versorgt. Dann wanderte sie zu verschiedenen Tanten, bis sie in einer Pflegefamilie landete. Aber die behielt sie auch nicht lange, so dass sie schließlich in ein Kinderheim kam. Ständig hatte sie während dieser Zeit die Schule gewechselt, weshalb es ihr außerordentliche Mühe machte, sich in ersprießlicher Weise in den Betrieb einzufügen.
Aber irgendwann platzte der Knoten doch. Mit 16 Jahren durfte sie unter Aufsicht des Jugendamts eine eigene Wohnung mieten, schaffte den Hauptschulabschluss und begann eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau. Doch ihre Kolleginnen hänselten sie so, dass sie eine Magersucht entwickelte und die Ausbildung nach zwei Jahren mit dem Abschluss einer Verkäuferin abbrach. Auch ein zweiter Versuch, die Ausbildung weiterzuführen, scheiterte an ihrer psychischen Verfassung. So hielt sie sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser, bis sie ihren Lebenspartner kennenlernte, von dem sie schnell schwanger wurde.
Er hat aber auch keine Arbeit und lebt von Hartz IV. Seine Vergangenheit hört sich fast noch schlimmer an als ihre: abgebrochene Lehre als Industriemechaniker und Gefängnis wegen Drogenhandels. Seine Mutter entsorgte die Briefe, die während der Zeit an ihn kamen, weil sie nicht lesen kann. So wuchsen seine Probleme ins Unermessliche, bis er sich entschloss, sein Leben mit Hilfe einer Sozialarbeiterin in den Griff zu bekommen.
Nun versuchen die beiden, ein ordentliches Familienleben zu gestalten, was nicht so einfach ist. Hans M. sucht verzweifelt eine Arbeitsstelle, während ihnen die Rechnungen über den Kopf wachsen: Waschmaschine und Kindermöbel mussten gekauft werden, Babykleidung und eine Zahnarztbehandlung für Evelyn V. bezahlt werden und außerdem kam eine Stromnachzahlung. Die nötige Osteopathiebehandlung für das Kind brachen sie ab, weil schon zum Essen und Trinken nicht viel übrig blieb. Da zog die Sozialarbeiterin die Notbremse und bat „Nachbarn in Not“ um Hilfe, damit die kleine Familie zu Weihnachten ein Licht am Horizont sieht.
Folgenden Text konnten Sie am 07.12.2013 in der SZBZ lesen:
Nach Aktenlage völlig gesund
Von Renate Lück
Das kann sich wohl kaum jemand vorstellen, dass ein Mensch, der durch einen Unfall so schwer verletzt wurde, dass er einen Schwerbehindertenausweis mit allen Merkzeichen hat, über so wenig Geld verfügt, dass er den Eigenanteil der Rezeptgebühren nicht bezahlen kann.
Reinhardt N. verdiente als Karosseriebauer so gut, dass er sich eine Eigentumswohnung kaufen konnte. Doch vor zehn Jahren hatte er einen schweren Motorradunfall, den er mit verschiedenen Brüchen überstand, aber mehrmals wiederbelebt werden musste. Nach Krankenhausaufenthalt und Reha-Klinik begann er wieder zu arbeiten. Aber drei Jahre später begann sich sein linker Handknochen aufzulösen. Trotz mehrerer Operationen wurde das Gelenk steif. Er verlor seine Arbeit und beantragte eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Sie wurde abgelehnt. Er klagte dagegen, doch das Sozialgericht entschied nach dem Gutachten eines Psychologen, er sei voll bewegungsfähig. Dabei hatte ihn seine Cousine und eine Referendarin nach Stuttgart begleitet. Den Vorschlag, zum Bundessozialgericht zu gehen mit einem neuen Gutachten und einem guten Anwalt, verkniff sich Reinhardt N., denn er lebt von Arbeitslosengeld II.
Nachdem er alle seine Ersparnisse verbraucht hatte, war seine Wohnung zwangsversteigert und er in ein Obdachlosenwohnheim eingewiesen worden. Zur selben Zeit begannen die Lähmungen, die immer schlimmer werden. Inzwischen hat er einen Schwerbehindertenausweis für außergewöhnlich Gehbehinderte, die eine Begleitperson brauchen. Er kann mit einem Rollator laufen, doch keine Treppen steigen, weil er sich mit der steifen Hand nicht hochziehen kann. Eine behindertengerechte Wohnung fand er bisher nicht. Beim Aufräumen und Einkaufen helfen ihm Freunde. Von denen sollte er sich jetzt Geld leihen, als im Jobcenter ein Antrag verloren ging, so dass er einen Monat kein Geld erhielt. „Ich habe die Sachbearbeiterin gefragt, ob sie ihre Nachbarn anpumpen würde. Da war sie beleidigt“, erzählt Reinhardt N., der immer verzweifelter wird. Nun wurde ihm eine Reha-Maßnahme in Bad Buchau genehmigt, aber das Versorgungsamt lehnt die Begleitung ab, obwohl sein Hausarzt die Notwendigkeit attestierte. „Nachbarn in Not“ spendete ihm einen Betrag für die Rezeptgebühren und für seine Prepaid-Karte. Denn Reinhardt N. organisiert seine Hilfe mit dem Handy und hofft, dass ihn seine Freunde auch Weihnachten nicht im Stich lassen.
Folgenden Text konnten Sie am 04.12.2013 in der SZBZ lesen:
Arbeitslos und krank
Von Renate Lück
Wie bei vielen Menschen führten auch bei Simone M. seelische Probleme, Überarbeitung und Krankheit zu einem körperlichen Zusammenbruch und in der Folge zum Arbeitsverlust. Mit 41 Jahren leben sie und ihre Tochter in dürftigsten Verhältnissen von Rente und Kindergeld.
Simone M. hatte sich schon ein Jahr nach der Hochzeit von ihrem Mann getrennt, weil er sie ständig kontrollierte und auch schlug. Die Scheidung war quälend und an den Kosten knabbert sie noch heute. Sie fand danach eine gute Stelle im Verkauf einer großen Firma, in der sie erfolgreich arbeitete. So sah es jedenfalls nach außen aus. Doch die Gelenke taten zunehmend weh, eine rheumatische Polyarthritis schlich sich ein. Ein Jahr später haute sie noch eine Krebsdiagnose um und eine Fehlgeburt machte ihr nicht nur körperlich, sondern auch seelisch zu schaffen, weil sie gern noch ein zweites Kind gehabt hätte. Sie versuchte weiterzuarbeiten, doch wiederkehrende Rheumaschübe ließen das nicht zu. Ihr Leben wurde zunehmend von der Erkrankung bestimmt. Jetzt schafft sie es gerade noch, ihren Haushalt zu versorgen und sich um ihr Kind zu kümmern.
Auch ihre finanzielle Situation ist schwierig: Die Rente mäßig, die Fixkosten eigentlich üblich, doch durch das Abstottern von Krediten für die Scheidung und die Reparatur des Autos zu hoch, so dass wenig übrig bleibt. Und nun brachte sie eine Heizkostennachzahlung vollends an den Rand des Belastbaren. 90 Euro blieben ihr und der Tochter im November zum Leben. Das Mädel brauchte aber dringend ein paar Winterschuhe und eine warme Jacke. Die betreuende Sozialarbeiterin bat „Nachbarn in Not“ um Hilfe und die Hilfsorganisation sorgte dafür, dass Mutter und Kind Weihnachten nicht im Kalten sitzen.

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